Dieser Artikel handelt von den Rohstoffen im Fairphone 3, ihrer Herkunft und den besonderen Rohstoffprojekten. Außerdem wollen wir eine Einschätzung wagen, in welche Richtung sich Fairphone bewegt. Wir betrachten dabei nicht die beachtenswerten Umweltaspekte, auch nicht die Komponentenproduktion und den Zusammenbau der Geräte.
Das Fairphone 3 wurde im August 2019 vorgestellt, und recht bald danach wurde auch schon die erste Zuliefererdokumentation veröffentlicht: zum einen die Aufstellung „Fairphone 3 Suppliers“, die – im Gegensatz zur Fairphone 2 Dokumentation, die auch Rohstoffquellen auflistet – lediglich die Teilezulieferer erwähnt (häufig mit den konkreten Fabriken und nicht nur den Firmensitzen!), zum anderen die grafische SourceMap, die vermutlich die gleichen Informationen enthält, aber nun doch zusätzlich auch noch ein paar Rohstoffquellen verbindet, also Raffinerien und Minen. Das ist besser als viele konventionelle Hersteller, von denen man oft nicht einmal den Endfertiger erfährt. Nun wissen wir weniger über das Fairphone 3 als über das Fairphone 2, aber bei letzterem hatte es auch ein Jahr gedauert.
Das Fairphone-Projekt war zu Beginn eine Initiative, um fairere Rohstoffe in ein Consumer-Produkt zu bringen. In Zeiten des Fairphone 2 wurde die Strategie klar: Umgeben von einer Rohstoffstrategie (die freilich im Nachhinein konzipiert wurde), hat sich Fairphone einen problematischen Rohstoff nach dem anderen vorgeknöpft und so eine kleine Liste von „Programs“ geschaffen. Das war – auch in seiner Transparenz – vorbildlich, und was liegt da nicht näher, als das Fairphone 3 mit seinem Vorgänger zu vergleichen?
In der Fairphone 2 Supplier List wurden folgende besondere Fairness-Kooperationen erwähnt:
- Hi-P Suzhou EMS / Molding / Flex – Fertigung, Gerätrahmen und flexible Leiterplatten. Da es keinen Rohstoffaspekt hat, lassen wir dies im folgenden aus. Beim Fairphone 3 heißt der Endfertiger Arima, ein Auditbericht liegt aber noch nicht vor, ebenfalls anders als noch beim Fairphone 2.
- AVX – Hersteller der SMD-Elkos, Stichwort Tantal
- KOTL + Tianjia – Hersteller des Vibrationsalarms, Stichwort Wolfram
- AT&S + Zhaojin Kanfort – Leiterplattenproduzent, Stichwort Gold
- AIM Solder – Lotpaste, Stichwort Zinn
- Broadway Precision Technology – Gehäuseteile. Dieser Lieferant taucht nicht mehr in der Fairphone 3 Liste auf, das Programm betraf aber auch nicht die hier interessierenden Materialaspekte, mal abgesehen von dem 50%igen Recyclinganteil.
Tantal
AVX ist nicht mehr Teil der Zuliefererliste des Fairphone 3. Auf Nachfrage wurde uns gesagt, dass es keine Tantalkondensatoren mehr im Gerät gibt, wie beim Shiftphone. Das ist heutzutage nicht ungewöhnlich. Es entspricht allerdings nicht der üblichen Taktik von Fairphone, sich aus einem Verbesserungsprogramm (hier für Tantal) herauszuziehen. Sie haben damit auch nicht mehr alle Konfliktmineralien in ihrem Nachhaltigkeitsprogramm, wie noch 2016 vermeldet.
Als Ersatz stecken im Gerät nun vermutlich MLCCs, die aus Keramiken und Nickel bestehen und nur dann in den Rohstoffen unkritisch sind, wenn die Anschlussenden nicht mit Edelmetall plattiert sind, etwa aus der Platingruppe oder mit Gold. Das dürfte aus Kostengründen nicht gemacht worden sein. Tantal könnte in sehr geringen Mengen allerdings noch in anderen Bauteilen sein.
Mögliche Lieferanten dieser Keramikkondensatoren könnten die in der Zulieferliste unter „Passives“ aufgelisteten Hersteller TDK oder Yageo sein. (So genau sind die Informationen von Fairphone leider nicht, dass man das genau rückschließen könnte.) Beide beteuern konfliktfreie Quellen, eine Auflistung gibt es aber nicht, zumal sie als japanische Hersteller nicht berichtspflichtig sind.
Wolfram
KOTL + Tianjia sind weiterhin als Unterlieferanten aufgezählt, nun scheint aber Baolong Electronics für den Vibrationsmotor zuständig zu sein. Mit ihnen wurde das Programm für konfliktfreies Wolfram fortgesetzt („We partnered to integrate responsible tungsten into our motors“), es hat sich nichts geändert.
Baolong wurde nicht nur in die Rohstofflieferkette integriert, deren Mitarbeiter bekommen auch noch ein zusätzliches Verbesserungsprogramm auf Basis von Mitarbeiterbefragungen: „better flow of communication between workers and management, providing training, and improving canteen and living facilities“. Bis heute hat Fairphone noch keine genauere Beschreibung dieser Programme vorgelegt, die Zitate sind ziemlich versteckt auf der Website. Es basiert vermutlich auf den gleichen Grundideen wie beim Fertiger Arima.
Gold
Statt AT&S + Zhaojin Kanfort wird nun der Leiterplattenhersteller Gold Circiut Electronics erwähnt, ebenfalls Teil des Verbesserungsprogramms, dessen Inhalt auffallend gleich klingt. In diesem Artikel soll es aber um die Rohstoffe gehen, und hier ist eine grundlegende Veränderung in der verantwortlichen Goldlieferkette zu vermelden.
Schon im Fairphone 2 war Fairtrade Gold nicht physikalisch in jedem Gerät, sondern Fairphone folgte einem Massenbilanzansatz: Es wurde genauso viel Fairtrade Gold (von einer Kooperation in Peru und vermittels eines Veredlers in der Schweiz) gekauft wie es in den Leiterplatten des Fairphone 2 gab, aber der Hersteller AT&S konnte zu angemessenen Kosten nicht sicherstellen, dass es tatsächlich genau dieses Gold ist, das er für die Fairphone-Leiterplatten einsetzt. Statt dessen wurde das eingekaufte Gold (vermittels des „Goldsalzes“ von Zhaojin Kanfort) vermischt mit konventionellem Gold. Wichtig aber: Die von Fairphone eingekaufte Menge an Fairtrade Gold in den Platinen passte zum tatsächlichen Vorkommen.
Dieses Verfahren war sehr aufwändig, daher hat Fairphone es für das 3er nochmal vereinfacht. Der Leiterplattenhersteller Gold Circuit Electronics kauft )wie aus gesetzlichen Gründen nahezu alle chinesischen Teilehersteller) sein Gold bei der Edelmetallbörse Shanghai Gold Exchange, also aus unbekannter Herkunft. Zum Ausgleich hat Fairphone den Fairtradebonus dieser Menge dem Schweizer Veredler überwiesen, der entsprechend viel Fairtrade Gold einkaufte und zum konventionellen Preis an die Shanghai Gold Exchange verkaufte. (Der Fairtradebonus ist der durch das Fairtrade-Zertifikat zugesicherte, höhere Preis des Fairtrade Goldes für die Mine, genauer: Die Preisdifferenz zum schwankenden, und allein schon deswegen unfairen Weltmarktpreis.) Das heißt, es wurde letztlich wieder die passende Menge des Goldes bei der peruanischen Fairtrade Mine eingekauft.
Der Unterschied ist also: Es ist keine Massenbilanz mehr, sondern eine Art Geldbilanz. Der Bilanzbruch entstand zudem schon beim Veredler, nicht erst beim Goldsalzproduzenten, der den Leiterplattenhersteller beliefert. Dafür aber musste viel weniger organisiert werden. Es konnte auf diese Weise sogar die vermutete Goldmenge für alle Komponenten im Gerät zusammen auf diese Weise bilanziert werden.
Unabhängig davon ist Fairphone aktiv in einer Partnerschaft zur Etablierung „faireren“ Golds aus Uganda zur Bekämpfung von Kinderarbeit. Ein konkreter Zusammenhang mit dem Produkt ist allerdings nicht erkennbar.
Eine andere Geschichte ist, dass tatsächlich weniger Gold im Fairphone 3 ist als noch im Fairphone 2: Für die angestrebte Modularität des Fairphone 2 wurden hochwertige Stecker eingesetzt, die Goldkontakte hatten. Die dadurch erzielte Reparierbarkeit diente dem Umweltschutz in der Nutzungsphase des Geräts, gleichzeitig belastete es aber die Ökobilanz in der Herstellungsphase, da Gold wegen des geringen Vorkommens besonders umweltbelastend in der Förderung ist. Im Fairphone 3 wurden die Kontakte nun deutlich verkleinert bei nur geringen Einbußen in der Reparierbarkeit und Modularität, allerdings unter Inkaufnahme von flexiblen Leiterplatten. Eine genaue Ökobilanz ist derzeit beim Fraunhofer IZM in Arbeit.
Zinn
AIM Solder ist weiterhin Lieferant geblieben und Teil eines Fairphone-Programms. Die Zusammenarbeit, die schon aus Fairphone 1 Zeiten stammt, besteht fort. Konfliktfreies Zinn aus einer iTSCi-Zertifizierung zu verarbeiten ist inzwischen nichts ungewöhnliches mehr. Damals war Fairphone aber Pionier. Vielleicht wurde im Rahmen der initialen Kooperation schon so viel Lotpaste geordert, das es bis jetzt reicht?
Und…
… sonst nichts Neues. Ob die Recyclingmaterial-Programme für Kupfer oder Plastik angesichts der geänderten Zuliefererliste noch gelten, bleibt unklar. Beim Zinn gibt es weiterhin Aktivitäten. Das letzte Update zum geplanten Kobalt-Programm ist auch schon fast zwei Jahre alt, abgesehen von einem erläuternden Blog-Post zur problematischen Kobaltlieferkette. Zum Batterielieferanten des Fairphone 3 „Fuji Electronics“ war weder Positives noch Negatives zu finden. Er verarbeitet das Kobalt.
Wir sind neugierig, welcher Rohstoff als nächstes dran ist!
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Inzwischen ist Fairphone aktiv geworden zum Thema Kobalt, siehe https://www.fairphone.com/en/2020/06/25/digging-for-change/
Regelmäßig schaue ich bei Fairphone vorbei, ob sich etwas geändert hat. Ich wunderte mich z.B. stets, dass es für das Fairphone 3 noch keine Liste der „Smelters and Refiners“ gab, zumal es in der SourceMap Informationen dazu gab. Auch jetzt scheint sich inhaltlich optisch nichts geändert zu haben, auf der Supply-Chain-Seite https://www.fairphone.com/en/impact/source-map-transparency/ verweist der relevante Link nun aber stillschweigend plötzlich auf ein PDF, das auch die Smelter/Refiner enthält: https://www.fairphone.com/wp-content/uploads/2020/05/016_005_FP3_List_Suppliers_and_Smelters_Web_190930.pdf, mit Datum August 2019. Vermutlich wurde bei Fairphone der Linkfehler inzwischen bemerkt und korrigiert.
Die Zulieferliste und Programme haben sich augenscheinlich nicht geändert, so gesehen ist der Blogbeitrag noch korrekt. Welche Information erhalten wir also aufgrund der nun bekannten Liste der Smelder und Refiner? Zunächst: Das ist keine Information über die Minen, sondern „nur“ über die Hütten und Veredler, die die 3TG-Quellen sind, also für Zinn, Wolfram, Tantal und Gold. Das entspricht einem Berichtswesen ähnlich Dodd-Frank 1502. Informationen zu Kobalt fehlen. Ich habe mir die Liste jetzt nicht genauer angeschaut. Überraschungen habe ich nicht entdeckt.
Nun geht es Schlag auf Schlag bei Fairphone: Zum einen gibt es für das Fairphone 3 nun eine Ökobilanz (https://www.fairphone.com/wp-content/uploads/2020/07/Fairphone_3_LCA.pdf), zum anderen einen neuen Nachhaltigkeitsbericht, soweit ich sehe (noch?) nicht wie üblich als PDF, sondern als Webseiten: https://impact.fairphone.com/
Ich wünschte ich hätten den Blogbeitrag hier erst jetzt geschrieben, denn jetzt gibt passendere Quellen. Hier ein paar Zitate, unkommentiert:
* „An average of 32.75% of our eight focus materials has been sustainably sourced as of the launch of the Fairphone 3.“
* „2020 Goal: 70%“ (!)
* Unter „List of focus materials“ gibt es kurze Statements zu Tin, Tungsten, Gold, Copper, Cobalt, Neodymium, Lithium, Plastic, darin viele reine Absichtserklärungen über das in diesem Blogbeitrag erwähnte hinausgehend, etwa die folgenden
* Zu Lithium: „We are currently analyzing lithium production and possibilities for responsible sourcing.“
* Zu Plastic: „Fairphone 3 modules are made with 50% post-consumer recycled plastic“
* Zu Neodymium: „We hope to initiate more responsibly sourced rare earth projects in 2020.“
* Zu Copper: „We’re advocating for more responsible copper supply chains, and actively gathering old phones to increase the supply of recycled copper available to the industry.“
Fairphone meldet „there is now 100% recycled neodymium in our speakers and 90% recycled neodymium in our vibration motor“: https://www.fairphone.com/en/2020/12/15/rare-earths/
Für das neue Fairphone 3+ gibt es auch eine neue Lieferkettendokumentation (https://www.fairphone.com/wp-content/uploads/2020/11/Supply-Chain-Engagement-2020-final.pdf). Die Unterschiede zum 3er-Bericht (https://www.fairphone.com/wp-content/uploads/2020/05/016_005_FP3_List_Suppliers_and_Smelters_Web_190930.pdf) sind naturgemäß gering, schließlich unterscheiden sich die beiden Geräte nicht so sehr (https://support.fairphone.com/hc/en-us/articles/360047776791-FAQ-Fairphone-3-FP3-) und der alte Bericht ist auch kaum mehr als ein Jahr älter. Dennoch:
* 10% mehr dokumentierte Fabriken
* 5% mehr bekannte Rohstofflieferanten
* 25% weniger nicht-auditierte Rohstofflieferanten
* Aktualisierte Lieferentenliste
Ich schreibe ja laufend fort, was in dieser Sache passiert. Fairphone hat eine neue Strategie, einerseits ziemlich länglich beschreiben unter https://www.fairphone.com/wp-content/uploads/2021/03/Fairphone_Fair-Material-Sourcing-Roadmap.pdf, anderseits knapp erläutert unter https://www.youtube.com/watch?v=gT7-JymRtKE ab Minute 35. Um etwas Minute 43 wird in dem Vortrag etwas konkreter dargestellt, was sie gedenken zu tun… aber letztlich wollen wir uns hier damit beschäftigen, was tatsächlich getan wird und nicht was man vorhat, belassen wir es also dabei.
Fairphone hat die erwähnte Goldlieferkette nun ausgedehnt auf den durchaus relevanten Teilehersteller Hirose, siehe https://www.fairphone.com/en/2021/11/30/fairtrade-hirose/. Ganz klar wird aber nicht, wie weit das Hirose auf ihre Produktion ausrollt. Unklar bleibt auch, welche Teile im Fairphone eigentlich von Hirose kommen. Drittens auch nicht, ob es im frisch erschienenen Fairphone 4 schon drin ist. Hirose fertig Stecker und Kabelkonfigurationen aller Rat, so ist zu hoffen, dass die durch die Modularisierung zusätzlich benötigten Stecker zwischen den Modulen, die dazu führen dass das Fairphone vergleichsweise viel Gold in sich hat, nun aus Fairtrade Gold bestehen.
So ein wenig undurchsichtig blieb mir der Fairtrade-Goldeinkauf von Fairphone ja immer, weil mir unklar blieb wie man mit Einschalten einer (China-Pflicht-)Börse von einem Tracking bis ins Produkt reden konnte und warum Fairtrade so was überhaupt mitmachte. In einem neuen Blogbeitrag steht nun die Menge dazu: 9% des Goldes im Fairphone 4 wurde auf diese Weise zertifiziert.
Der Inhalt des Blogbeitrags ist aber an anderer, interessanter:
* Fairphone versucht nun gar kein Tracking mehr, sondern kauft nur noch Zertifikate
* Fairphone macht dies für die restlichen 91% des Goldes im Gerät
* Die Zertifikate kommen von einer Fairmined (haben sich vor vielen Jahren mal von Fairtrade getrennt) zertifizierten Mine in Kolumbien.
* Diese Mine kann ihr gefördertes Gold nicht vollständig zertifiziert verkaufen
* Fairphone hat 20000$ überwiesen. Wie sie auf diese Zahl gekommen sind steht da leider nicht
Hier der Link:
„Fairphone is the first company to pilot Fairmined Gold credits“
https://www.fairphone.com/en/2023/04/13/fairphone-is-the-first-company-to-pilot-fairmined-gold-credits/