Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
So geht es Vielen im Alltag. Zumal es heutzutage auch viel zu viel zu wissen gibt. Wie soll man sich da bei jedem Einkauf informieren, was hinter den Produkten steht. Theoretisch: schnell noch den entsprechenden Artikel aus der Öko-Test über Deos lesen und bei Stiftung Warentest nachschauen, welcher Handrührer am besten abgeschnitten hat. Praktisch: einfach nach Bauchgefühl einkaufen – das günstige Gerät mit den gleichen Funktionen wird schon funktionieren und eine deutsche Marke verspricht immerhin Qualität.
Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu
Doch auch deutsche Unternehmen machen gerne Gewinn und das geht einfach, wenn man die Zutaten für sein Produkt günstig einkauft. Durch Globalisierung und Externalisierung wird heute die Produktion auf viele verschiedene Orte in der Welt verteilt. Wenn dort die Abwässer nicht geklärt werden müssen, grundlegender Brandschutz Luxus ist oder Arbeitszeiten von 12 Stunden pro Tag bei einem Hungerlohn Normalität sind, dann sinken die Kosten und das (Zwischen-)Produkt wird günstiger. Und so unterstützt man als Konsument unwissentlich Kinderarbeit, Umweltzerstörung und Ausbeutung, wenn sich die Hersteller nicht um die Bedingungen Ihrer Zulieferer im Ausland kümmern.
Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts
Mit dieser Ausrede sollen Unternehmen in Zukunft nicht mehr davonkommen und stattdessen haftbar für die Schäden sein, die in ihren Lieferketten im Ausland entstehen. Sie sollen beweisen müssen, dass sie alles Mögliche getan haben, um Missstände bei ihren Zulieferern auszuschließen. Freiwillig nehmen zu wenige Unternehmen einen solchen Aufwand (also Wettbewerbsnachteil) in Kauf. Ein breites Bündnis aus 17 Trägerorganisationen fordert daher: Unternehmen müssen zur Achtung der Menschenrechte in ihren Lieferketten gesetzlich verpflichtet werden. Mit dem Slogan „Gegen Gewinne ohne Gewissen hilft nur ein gesetzlicher Rahmen“ starteten sie im September die Initiative Lieferkettengesetz. Dutzende weitere Organisationen der Zivilgesellschaft sowie zahlreiche kirchliche Organisationen unterstützen die Initiative – unter anderem auch FairLötet. Aber auch einige Unternehmen fordern eine gesetzliche Regelung.
Worte zeigen, was jemand gerne wäre – Taten zeigen, was er wirklich ist
Interessant daran ist, dass neben nachhaltigen Unternehmen auch große Marken das Statement unterschrieben haben, wie z.B. Nestle, Tchibo oder Rewe und auch Firmen, die bisher wegen ihrer Aktivitäten im Ausland eher negativ in den Schlagzeilen waren, wie zum Beispiel KiK. Bei einem Fabrikbrand eines Zulieferers in Pakistan waren 2012 258 Menschen ums Leben gekommen. Das Verfahren am Oberlandesgericht Hamm wurde 2019 wegen Verjährung abgebrochen, bewegte KiK jedoch dazu, mehr als 5 Millionen Euro Entschädigung zu zahlen. KiK beklagt in diesem Zug die fehlende Rechtssicherheit für Unternehmen.
Das Gesetz ist der Freund des Schwachen – Friedrich Schiller
Die Idee mit einem Lieferkettengesetz die Menschenrechte in anderen Ländern zu schützen ist nicht neu: In Frankreich gibt es bereits ein Sorgfaltspflichtgesetz, und in den Niederlanden und Großbritannien werden immerhin für einzelne Menschenrechte Sorgfaltspflichten umgesetzt (Kinderarbeit bzw. moderne Sklaverei). In Deutschland gibt es jetzt die Chance, mit einem starken und umfassenden Lieferkettengesetz die Grundlage für künftige Regelungen auf EU- und internationaler Ebene zu legen. Wobei es in der EU schon eine verabschiedete Verordnung für den Handel mit Konfliktmineralien gibt, die ab 2021 in Kraft tritt. Er sieht vor, dass alle Importeure von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus Konfliktgebieten eine Due Diligence (Sorgfaltsüberprüfung) durchführen müssen.
Wer nicht hören will muss fühlen
Deutschland (bzw. der aktuelle Koalitionsvertrag der großen Koalition) setzt wie bei vielen anderen Themen auf Freiwilligkeit und hat Ende 2016 den „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)“ verabschiedet. Hierbei werden Unternehmen aufgefordert und unterstützt, die Menschenrechte bei ihren Aktivitäten im Ausland zu achten. Die Wirksamkeit soll 2020 überprüft werden und wenn weniger als 50% der Unternehmen mit über 500 MitarbeiterInnen keine Maßnahmen nach dem Aktionsplan eingeführt haben, soll die Einführung eines Gesetzes geprüft werden. Aktuell liegen von 15% der angefragten Unternehmen Ergebnisse vor, 20% davon entsprechen den Anforderungen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nennt dies „mehr als ernüchternd“ und fordert eine gesetzliche Regelung. Unterstützt wird er dabei vom Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubert Heil und einem Beschluss des CDU-Parteitags von Ende November 2019. Außerdem haben sich SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE in ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2017 für verbindliche Sorgfaltspflichten ausgesprochen. Gegenwind kommt von den Lobbyisten der Arbeitgeberverbände.
Der stärkste Regen beginnt mit kleinen Tropfen
Auf der Webseite der Initiative Lieferkettengesetz findest du weitere Informationen und kannst eine Petition unterschreiben, um den Forderungen mehr politisches Gewicht zu verleihen. Wenn du die Initiative selbst aktiv unterstützen möchtest, kannst du auch Infomaterial bestellen. Unternehmen können sich auch weiterhin dem Unterstützer-Statement anschließen.
Auf einem Kongress des Chaos Computer Clubs hat mein Kollege Sebastian das Thema Lieferkettengesetz in einer kurzen Präsentation zusammengefasst.